7. Das Jahr 1938

Das Jahr 1938 nahm in der nationalsozialistischen Judenpolitik einen ganz besonderen Platz ein. Der Novemberpogrom war dabei der Höhepunkt des Geschehens.

Die vorrangigen Ziele des NS‑Regimes in der Judenfrage in diesem Jahr waren:

1. Ausschaltung der Juden aus dem deutschen Wirtschaftsleben.

2. Rapide Verminderung des jüdischen Bevölkerungsanteils durch entsprechenden Auswanderungsdruck. Hierunter fielen besonders früher in Polen beheimatete Juden, die erst 1919 durch ihre Option für das Deutsche Reich die deutsche Staatsangehörigkeit erhalten hatten.

Durch eine Verordnung im April 1938 wurden die deutschen Juden dazu gezwungen, alles in ihrem Besitz befindliche Vermögen, sofern es 5000,RM überstieg, anzumelden. Alle jüdischen Geschäfte wurden in das »Amtliche Verzeichnis der jüdischen Gewerbebetriebe« aufgenommen. Mit dieser Maßnahme war die endgültige Übernahme sämtlicher jüdischer Geschäfte in deutsche Hände vorbereitet.

Im Juli und September folgte dann die Streichung der Approbationen der jüdischen Ärzte und der Anwaltszulassungen, Zwei Berufsgruppen in denen Juden überproportional vertreten waren.

Durch Verordnung vom 17. August 1938 wurde bestimmt, dass Juden vom 1. Januar 1939 an nur solche Vornamen annehmen durften, die in einer besonderen Namensliste aufgeführt waren. Wer also einen nichtjüdischen Vornamen besaß, musste einen jüdischen Namen, Sara bei Frauen, Israel bei Männern, hinzufügen.

Das Sauerländische Volksblatt berichtet in seiner Ausgabe vom 19. Oktober 1938, dass nach der Einführung einer neuen Kennkarte ‑ einer Art Inlands Ausweis ‑ eine weitere Überwachungsmöglichkeit der Juden gegeben sei.

Für einen großen jüdischen Bevölkerungsteil war im Herbst 1938 der Anfang vom Ende zu befürchten. Die jüdischen Geschäftsinhaber bemühten sich daher, ihre Unternehmen, wenn auch weit unter Wert, an nichtjüdische Käufer zu veräußern. Einigen ist es gelungen. Das Lennebergsche Geschäft in Olpe war im Herbst 1938 bereits verkauft, und man war bemüht, sich mit dem Geld auf die Auswanderung vorzubereiten.

Auch das Geschäft Lenneberg in Attendorn, Inhaber Hermann Stern, war bereits an die Firma Scholl u. Co. verkauft, wie einer Anzeige im Sauerländischen Volksblatt vom 12. November 1938 zu entnehmen ist. Dort heißt es: „Lenneberg Attendorn geschlossen! Wiedereröffnung in aller Kürze durch die neuen Inhaber Scholl & Co. Attendorn.“ Man wollte durch diese Anzeige wahrscheinlich auch weiteren zerstörerischen Aktionen gegen ein bis dahin jüdisches Geschäft vorbeugen.

Allgemein lässt sich sagen, dass die meisten jüdischen Einwohner unseres Kreises zu Beginn des Monats November 1938 mit einer in Kürze bevorstehenden Emigration ins Ausland rechnen mussten.

 

Zurück zur Startseite